MORE INFORMATION: incenseofmusic.com
A short description in English:
Incense is used for a variety of purposes, including ceremonies in all major religions, spirituality, aromatherapy, meditation and for simple pleasure. Fragrances appeal on the most neglected sense of modern times: the olfactory. Fragrances affect the human spirit, influence its perception, open new experiences. These qualities suggest to combine this ancient art, present in any culture, with music and visual arts in a synaesthetic project between seeing, listening and smelling, enhancing the sensory experience created from the convergence of images, scents and sounds in the brain.
And a longer one in German, by Dominik Breider:
Über-das-Hören-hinaus – Duft und Klang im Konzert
The Incense of Music unternimmt das Experiment, eine innovative synästhetische Konzertform zu etablieren: Ausgesuchte kulturgeschichtlich bedeutsame Pflanzen werden während der konzertanten musikalischen Darbietung verräuchert. Es entsteht eine multisensorische Begegnung. Die MusikerInnen sind eingeweiht in das olfaktorische Programm des Abends und richten in Absprache mit den Kuratoren ihre Stückeauswahl und Spielweise darauf ein. Sie lassen sich bewusst von den Düften und deren Geschichte inspirieren und bereichern. So entstehen neue bzw. auf neue Weise wahrgenommene Linienführungen, Klangfarben und Wendungen in der Musik, neue Interpretationen klassischer Partituren und musikalischer Gedanken. Auch das Publikum des Abends öffnet seine Sinne auf andere, unbekannte Weise. Durch die Hinwendung der sinnlichen Aufmerksamkeit auf eine Darbietung ‘über-das-Hören-hinaus’ verändert sich auch das Hören selbst. Riechen und Hören lagern und justieren von sich aus den konkreten rezeptionsästhetischen Ort ins sinnliche Zentrum der Szenerie, den Menschen. Sie sind die beiden offensten, grenzüberschreitensten und transkulturellsten Sinne, die wir besitzen. Sie versammeln die Atmosphäre eines andersartigen performativen Raums in sich. Dieser bewegte Raum umschließt alle Anwesenden mit seinen Steinen, den in seiner Innenluft verteilten Duftmolekülen und den in ihm schwingenden Obertönen. Es wird uns bewusst: wir sind nicht allein, dort, wo das Zentrum unserer Wahrnehmung ist, denn wir teilen die synästhetische, aus Klängen und Düften gewobene Landschaft, in welcher wir uns befinden, mit unseren Nachbarn im konkreten Raum. Wir atmen dieselbe Luft und uns umschwingen dieselben Klänge.
Die konzertante künstlerische Verbindung von Geruch und Musik scheint hervorragend dazu geeignet, die verschiedensten Biographien auf das ihnen allen Gemeinsame, die Conditio Humana, zurückzuführen. Begründen lässt sich dies zum Einen in der assoziativen Kraft zur individualgeschichtlichen Verankerung, die den Gerüchen und den Musiken gleichermaßen einwohnt:
„Wir besitzen unser Selbst nicht: von außen weht es uns an, es flieht uns für lange und kehrt uns in einem Hauch zurück.“
(Hugo von Hofmannsthal, Das Gespräch über Gedichte).
Dieser Satz hat eine transkulturelle Gültigkeit.
Zum Anderen bauen wir auf die interkulturellen historischen Anspielungs- und Deutungsmöglichkeiten, welche oftmals schon die exotischen Namen von Pflanzen, Musikstilen und -instrumenten mit der Aura des Geheimnisvollen und historisch Bedeutsamen aufladen. Über die globalen Wegesnetze der Geschichte geht auch das vormals Exotische ins Eigene ein – die Substanzen gleichermaßen wie ihre Namen. Selten wird das so deutlich wie im interkulturellen Austausch der Pflanzen und dem Einfluss, den sie als Nahrungsmittel, Grundstoffe für Textilien und als Gewürz-, Heil- und Räuchermittel auf die kulturelle Entwicklung der Regionen, Länder und Kontinente weltweit ausübten.
Wir verwenden auf unserer Weltreise der Imagination ausgesuchte Pflanzen, Räucher-Ingredienzien, die schon von jeher besonders geeignet schienen, die Assoziation zu befreien. Sie wurden einst benutzt in kultisch gebundenen Zeremonien oder in Ritualisierungen, die den Alltag gestalteten – als Mittel zur Klärung von Körper und Wohnstätte oder als Mittel zur Inspiration. Manche von ihnen wurden vergessen, viele aber sind irgendwo auf der Welt immer noch in Gebrauch und können von dort wieder zu uns zurückkommen. Manchmal sind wir, Mitteleuropa, ihre ursprüngliche Heimat und ein Geruch kehrt uns wie ein altes vergessenes Wort aus der Fremde wieder.
In diesem kulturhistorischen Kontext werden die an den Konzertabenden verwendeten Pflanzen als Symbole der Grenzüberschreitung und des Austauschs inszeniert – zwischen uns selbst und dem Anderen, zwischen unserem illusionären Besitz an Erfahrungen oder unserem Konsum, mit denen wir unseren Mangel an uns selbst zu kompensieren trachten und den stärker werdenden Ansprüchen, mit denen das scheinbar Fremde an uns herantritt.
„Durch die Nase nährt der Himmel den Menschen mit den fünf Aromen des Universums.“
(Laozi)
Der Duft, den die Pflanze im Moment ihres Verlöschens verströmt und den sie weitergibt an die Atemluft, verbindet den Menschen mit dem Kosmos. Die Gerüche durchdringen den Menschen in seinem Atem. Viele Pflanzen erreichten geradezu mythische kulturstiftende Qualität (so z.B. der Lorbeer oder die Zypresse in Europa, der Drachenblutbaum in Asien). Und ähnlich wie die sogenannten Nutzpflanzen, etwa Reis, Weizen oder Baumwolle sich durch die Hand des Menschen auf dem Planeten verbreiteten, war es auch im Fall des Weihrauchs und der zahlreichen anderen Pflanzen, die eher auf die Psyche und den Geist des Menschen einwirkten, als dass sie einen eindeutigen physiologischen Zweck erfüllten. Viele Gewürzpflanzen sowie Brennhölzer vereinigten auch beide Aspekte in sich und kamen in der Küche wie im Räucherkelch in Gebrauch – so z.B. der Salbei oder die Birke. Andere kamen während sexueller Ausschweifungen in sakral gebundenen oder profanen Ritualen zu Ehren, wie z.B. das Labdanum. Auch haben die Räucherpflanzen Rückschläge in ihrer Geschichte zu verzeichnen: Die Räucherung von Weihrauch wurde im katholischen Europa außerhalb kultisch geweihter Räume untersagt, die Verwendung nur eines bestimmten Weihrauchs in kirchlichen Feiern vorgeschrieben; auch in vielen islamisch geprägten Ländern gab es Restriktionen für die anrüchig duftenden Essenzen der Pflanzen – die ‘Rose von Mekka’ ist ein Überlebender der kultischen Bereinigung der Düfte.
Verwendet der Mensch die Pflanze wie ein Nahrungsmittel für die Seele, so kann die Pflanze kultisch-mythischen, sogar religions- und kulturgeschichtlichen Stellenwert erlangen. Die Pflanze wird wie eine Droge konsumiert, als Mittel zur Erreichung eines spirituell-körperlich stimulierenden oder entlastenden Zweckes. Abgesehen davon gibt es aber auch den direkten unvermittelten Dialog zwischen Pflanze und Mensch, d.h. botanisch-neurophysiologische Schnittstellen der Interaktion zwischen den Botenstoffen der Pflanzen und den Neurorezeptoren im menschlichen Gehirn. Wenn wir den Gedanken zulassen, so hat dieser Dialog selbst einen eigenen Wert, unabhängig von weitergehenden spirituellen oder sonstigen Zweckbestimmungen. Unsichtbar wie die Töne strömen die Duftmoleküle auf uns ein und teilen uns etwas mit, indem sie unseren Geist verändern [1]. Jeder kennt solche Einwirkungen und verfügt über einen Vorrat davon im sogenannten episodisch-autobiographischen Gedächtnis. Die literarischen Narrative zu den Gerüchen und ihrer Resonanz im Innenleben der Menschen sind ohnehin Legion. Darüber hinaus lässt sich das olfaktorische Differenzierungsvermögen in einer Art ‘Wissenschaft der Aromastoffe’ auch gezielt trainieren [2].
[1] Selbstverständlich kommen ausschließlich pflanzliche Essenzen zum Einsatz, die medizinisch verträglich sind und dem BTMG entsprechen.
[2] Vgl. u.a. Günther Ohloff, Riechstoffe und Geruchssinn. Die molekulare Welt der Düfte, Springer-Verlag, Berlin 1990, ISBN 3-540-52560-2. Englische Übersetzung: Scent and Fragrances: The Fascination of Odors and Their Chemical Perspectives, Springer Verlag, New York, 1994, ISBN 0-387-57108-6.
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