9 Meister ist ein Film über Religionen, ein Film über Berlin, ein Film über den Menschen. Im Zentrum stehen neun in Berlin lebende Vertreter verschiedener religiöser und weltanschaulicher Richtungen (Judentum, Hinduismus, Thai-Buddhismus, Rö-misch-Katholische Kirche, Russisch-Orthodoxe Kirche, Islam, Evangelische Kirche, Zen-Buddhismus, Candomblé) und ihre Aussagen über Religion, Tradition, Praxis, Gott und den Tod. Der Film spielt in Kirchen, Synagogen, Moscheen, Tempeln, in privaten und öffentlichen Veranstaltungsräumen, zeigt Zeremonien und Feste im großen und kleinen Kreis, den Alltag der Gemeinden, ihre Musik.
MEISTER
Dr. Tovia Ben-Chorin (Jüdische Gemeinde zu Berlin, Synagoge Pestalozzistrasse – Berlin-Charlottenburg)
Dr. Avnish Kumar Lugani (Sri Ganesha Hindu Tempel – Berlin-Neukölln)
Phra Patipan Ratanapanyo (Wat Pah Bodhi-Dhamm Tempel in der Thai-Buddhistischen Waldtradition – Berlin-Gatow)
In vielen Orten Berlins wirken u.a. Bischöfe, Priester, Pfarrer, Gurus, Meister, Imame, Rabbis für das Wohl der Suchenden und Gläubigen, für den Zusammenhalt ihrer Gemeinde, für den Bestand und die Weiterentwicklung der eigenen Tradition. Sie bieten ein spirituelles Fundament und eine kulturelle Identität, repräsentieren in ihrem Amt und ihrer Funktion den Glauben, dem sie angehören, dessen Philosophie.
9 Meister ist eine Langzeitdokumentation, die Dreharbeiten begannen 2010 und endeten 2013 mit mehr als 50 Drehtagen in den besuchten Gemeinden. Das Projekt ist der Versuch einer Annäherung an das spirituelle Berlin, an mancher seiner Akteure, Ihrem Glauben; ein vorurteilsloses und neugieriges Eintauchen in unterschiedliche Orte, Welten und Kulturen – ohne dabei die Stadt zu verlassen. 9 Meister ist als interreligiöser Dialog konzipiert: abseits von Bekehrungswünschen, Hegemonie- ansprüchen, Wahrheitsforderungen und Besserwisserei, machen Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen sich Gedanken über Religion, Gott, das Leben und den Tod. Der Film will für keine der vorgestellten Religionen in irgendeiner Form Partei ergreifen: er ist als Inspiration zum Selbstdenken gedacht.
Schwester Mirjam Fuchs OCD – Karmel Regina Martyrum – Berlin Charlottenburg)
Abt Daniil Irbits (Russisch-Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats – Berlin-Wilmersdorf)
Imam Dipl. Ing. Abdallah Hajjir (Darul-Hekma Haus der Weisheit e.V. – Berlin-Moabit)
Der Film hegt nicht den Anspruch, die verschiedenen Meister und die dazu gehörenden Religionen umfassend zu portraitieren, auch nicht, ihre Dogmen und Lehrsätze lehrbuchmäßig zu erörtern. Er soll vielmehr einen repräsentativen Querschnitt der „Angebote“ darlegen, eine kulturelle wie auch ästhetische, philosophische, geographische, ethische und gesellschaftliche Vielfalt präsentieren, die, nicht nur in unseren Breitengraden, für den religiösen Diskurs steht. Aus der extrem heterogenen Vielfalt, die Berlin Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts glücklicher Weise zu bieten hat, wurden nach subjektiven Kriterien neun Gemeinden und deren Repräsentanten gewählt. Dank der freundlichen und großzügigen Teilnahme aller Protagonisten, Ihrer geduldigen Zusammenarbeit, Dank der Hilfestellung und Gastfreundschaft der Gemeindemitglieder, konnte dieses Projekt entstehen.
Pröpstin Friederike von Kirchbach (Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz)
Zen-Meister Wu Bong (1950-2013) (Kwanumzen Schule – Berlin-Wedding)
Murah Soares (Ile Oba Sileke – Berlin-Kreuzberg)
DIALOG
Die Aussagen der Protagonisten bilden, einander gegenübergestellt, im filmischen Kontext, einen Dialog über das Menschsein. Die Dokumentation soll Fragen aufwerfen, gleichzeitig aber auch zeigen, dass es verschiedene Ansatzpunkte gibt und, vielleicht, eine Menge Gemeinsamkeiten. So verschieden und bunt die Menschen und ihre Kulturen auch sind, manche Dinge sind für alle gleich, und so ist es auch nicht verblüffend, wenn sich im Lauf des Films herausstellt, dass die Anschauungen unterschiedlicher Religionen durchaus große Ähnlichkeiten aufweisen. Der Film beschränkt sich nicht auf eine philosophisch-theoretische Abhandlung, die fern von jeglicher gelebter Realität ist: Bilder aus der Liturgie und Praxis der Gemeinden unterstreichen die Antworten der Protagonisten und vermitteln einen konkreten Bezug zu den besprochenen Themen. So entsteht eine zweite Erzählungsebene und zugleich ein dramaturgischer Rahmen für die Interviews.
RELIGION
Warum braucht der Mensch Religion? Was treibt ihn dazu, sich in die Lehren, Grundsätze, Regeln und Pflichten einer Weltanschauung zu begeben? Wegen der Verwandtschaft? Aus Tradition? Gewohnheit? Um die Konflikte und Schwierigkeiten des menschlichen Lebens besser zu bewältigen? Braucht der Mensch Erklärungen und Deutungen um leichter zu existieren? Klare Regeln, Verhaltensweisen und Wertmaßstäbe, um sich besser zu orientieren? Eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten, um sich zurechtzufinden? Ist eine übergeordnete Wirklichkeit am Werk, die wir ohnehin nicht beeinflussen können? Braucht der Mensch wirklich Religion? Ist Gott nicht tot? Ist Denken nicht besser als Glauben?
Religion. Der Begriff ruft unterschiedlichste Assoziationen und entgegengesetzte Reaktionen hervor: vollkommene Hingabe, das Absolute, totale Abneigung, Indifferenz, Intoleranz, fossilisierte Traditionen, archetypische Geschichten, grundsätzliche Philosophien, konservative Werte, altbackene Vorstellungen, biedere Frömmigkeit, irrationale Erscheinungsformen, karitative Vereine, machtorientierte Institutionen, politische Apparate, gefährlicher Fundamentalismus, abgehobene Mystik, oberflächliche Esoterik, vieles und vieles mehr. Die Kritik über Religion ist so alt wie die Religion selber – und dennoch: Religion, als archetypisches, kulturelles und nicht zuletzt psychisches Phänomen, bildet die Basis unserer Kultur, jeglicher Kultur, das intime Gerüst unseres kollektiven Unterbewusstseins. Sie prägt den Menschen -wie auch Herkunft, Erziehung, Sozialisierung und Weltanschauung- und macht ihn ähnlich oder ungleich zu seinem Nächsten.
BERLIN
Jahrhundertelang war Berlin eine vom Christen- und Judentum geprägte Stadt – mit eindeutiger Vorherrschaft der evangelischen Kirche. Bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 lebten rund drei Millionen Protestanten und eine Minderheit von 400.000 Katholiken und 160.000 Juden in Berlin. Atheisten und andere Religionsangehörige waren eine verschwindende Minderheit. Achtzig Jahre später, nach Zweitem Weltkrieg, Holocaust, Stadtteilung, Kaltem Krieg, Mauerbau, Mauerfall und Wiedervereinigung, ist Berlin zu einer vorwiegend säkularen Stadt geworden (nur noch 40 % der Bewohner ist Mitglied einer Glaubensgemeinschaft), gleichzeitig aber auch der Ort mit der größten religiösen Vielfalt in Europa. In der deutschen Hauptstadt sind heute mehr als 260 Glaubensgemeinden aktiv (andere statistische Erhebungen gehen von mehr als 360 aus); nahezu alle grossen Weltreligionen sind vor Ort.
BILDGESTALTUNG
Gedreht wurde in den Gemeinden selbst: Kirchen, Kapellen, Moscheen, Synagogen, Tempeln, Schreine, etc. boten sowohl ästhetisch wie auch symbolisch starkes Bildmaterial. Die Religionsausübung einer Gemeinde kennt Riten und Formen, Farben, eine ästhetische und kulturelle Sprache. Die Bilder der unter- schiedlichen Kultstätten, in ihrer feierlichen und farbenprächtigen Vielfalt, liturgische Gegenstände und deren Details, Gottesdienste, Musikaufführungen, Ansprachen, Meditationen, Zeremonien, der gelebte Alltag ergaben interessantes und heterogenes Material für die Kamera und für den Schnitt. Sie ermöglichten interessante Gegenüberstellungen thematischer, visueller und dramaturgischer Natur. Die Protagonisten wurden in ihrer offiziellen Funktion, in ihren Kleider und Gewändern, im Rahmen ihrer Wirkungsstätte und in Ausübung ihres Amtes gezeigt.
Um einen konkreten Bezug mit der Stadt und dem Leben draußen herzustellen, veranschaulichen Stadt- und Straßenbilder, als geographischer und kultureller Behälter unserer Schicksale, den Zusammenhang zur materiellen Welt. Die Großstadt Berlin bildet einen Leitfaden bzw. gemeinsamen Nenner in der Erzählung und macht eine Verflechtung der Aussagen unserer Protagonisten umso faszinierender.